MAKROÖKONOMIK ² МАКРОЭКОНОМИКА

 

 

Ein Currency Board für Rußland?

Einige Gedanken

(Нужно ли России Валютное Управление - Currency-Board?)

(Из размышлений автора)

 

Wilfried Fuhrmann

Ajdyn Sultanow

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Adresse der Autoren:

Prof. Dr. Wilfried Fuhrmann

Dr. A. Sultanow

Universität Potsdam

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D-14482 Potsdam

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© W. Fuhrmann; ISSN 1433-920X

I. Einige Vorbemerkungen

In den vergangenen Jahren und auch in jüngster Zeit wurde wiederholt die Einführung eines sog. Currency-Boards, d.h. eines unabhängigen Währungsamtes in Rußland vorgeschlagen. Bekannte Befürworter sind u.a. Rüdiger Dornbusch, Steve Hanke, Lars Jonung, Stanley Fischer und Kurt Schuler. Verschiedentlich wird dieser institutionelle Vorschlag verbunden mit einem Wechselkurssystem in Form eines sog. crawling peg. Beide Komplexe sind nicht unabhängig von einander und nicht unabhängig von den Rubel-Krisen.

Als Ursachen der Rubel-Krise vom August 1998 mit der starken Abwertung des Rubels gegenüber dem US-Dollar um rund 35 v.H. (Aug.-Sept. 1998) gelten insbesondere

- die Höhe der am BIP gemessenen öffentlichen Schulden von rund 33 v.H. in ausländischer

Währung und rund 20 v.H. in inländischer Währung,

- der Zusammenbruch des Marktes für Staatspapiere (GKO, OFZ usw.) verbundenen mit

großen Vermögensverlusten der Banken,

- ein bezüglich des Risikomanagements unterentwickeltes, ineffizientes Bankensystem

sowie

- eine niedrige Reputation und mangelnde Glaubwürdigkeit ("credibility") vieler staatlicher

Institutionen sowie des Rechtsrahmens, d.h. die allgemeine große Rechtsunsicherheit.

Als Auslöser der Rubel-Krise gelten insbesondere

- die Asien-Krise,

- die sinkenden Öl- und Rohstoffpreise, die rund 40 v.H. der russischen Exporte betreffen,

erhebliche Vermögensverluste bewirkten, die notwendigen Privatisierungen verlangsamten

und einen anhaltenden Rückgang der Direktinvestitionen in Rußland bewirkten )

sowie

- die internationale Ansteckung bei einzelnen nationalen Krisen (sog. Contagion bzw.

Tequila-Effekte) und ein Herdenverhalten der internationalen Fondsmanager und

Kapitalanleger.

Zu den Folgen für Rußland gehört u.a.

- ein außerordentlicher Anstieg der Risikoprämie und damit Erhöhung der internationalen

Kapitalkosten,

- Bankinsolvenzen und die Sperrung u.a. der US-Dollar-Einlagen bei russischen Banken,

- eine umfangreiche Kapitalflucht und Verlagerung der für die wirtschaftliche Entwicklung

Rußlands notwendigen nationalen Ersparnis ins Ausland,

- die Spaltung des Devisenhandels (für Exporte, Importe sowie den Kapitalverkehr) mit einer

Beschränkung der Konvertibilität des Rubels,

- die staatliche Umschuldung.

Der anhaltende Vertrauensverlust an den internationalen Märkten wird die wirtschaftliche Entwicklung Rußlands über Jahre bremsen. Zerstört wurde das entstehende Vertrauen in den monetären Sektors Rußlands, so daß die Bedeutung des direkten Güter-Tausches ("barter-trade") wieder stieg und der Anteil des Tausches unter Verwendung von Geld weider sank (bei einem schon geringem Grad der Monetisierung in Rußland gemessen am Quotienten M2/BIP mit rd. 15 v.H.). Und damit sanken die gesamtwirtschaftliche Effizienz und die internationale Wettbewerbsfähigkeit Rußland (verbunden mit einem weiteren Rückgang des realen BIP).

 

In dieser Situation eines festgefahrenen, fast gescheiterten ersten Transformationsversuches erscheint die unmittelbare Einführung eines Currency-Boards unmöglich. Sie ist unmöglich angesichts des fehlenden gesellschaftlichen Konsenses und politischen Willens. Sie wäre aber auch nicht glaubwürdig angesichts der wirtschaftlichen und politischen Situation, so daß der Versuch mit großer Wahrscheinlichkeit scheitern würde.

Jeder Versuch einer Therapien hat zwei Perioden zu unterscheiden. Dieses sind eine Periode der Vorbereitung bzw. Transition zur Vorbereitung eines zweiten Anlaufes einer monetären Transformation.

II. Reformen vor dem Neuanfang (Vorbereitungsphase)

Eine Vorbedingung für eine glaubwürdige neue Geld- und Währungsordnung ist die Revitalisierung des privatwirtschaftlichen Geschäftsbankensektors. Kredite des Internationalen Währungsfonds schaffen die notwendige Zeit.

Erforderlich für jeden Neuanfang sind:

-

eine Öffnung und umfassende Liberalisierung des Bankensektors für ausländische Direkt-investitionen,

-

ein Konzentrationsprozeß im russischen Bankensektor zu größeren Banken, d.h. zu eigenverantwortlichen und risikobewußten Banken, die nicht aufgrund von alten Gewohnheiten oder wegen ihres niedrigen Geschäftsvolumens eine hohe Präferenz für Staatspapiere haben,

-

die ordentliche Abwicklung von Bankinsolvenzen mit entsprechenden Insolvenzgesetzen für die Zukunft,

-

die Einrichtung eines effektiven russischen Aufsichtsamtes für das Banken-, Börsen- und Versicherungswesen als unabhängiges Amt oder als Abteilung der Zentralbank

-

eine politisch vollkommen unabhängige Zentralbank.

 

Erst nach Überwindung der Bankenkrise, d.h. erst nach entsprechenden Abschreibungen und Wertberichtigungen sowie mit einem verbesserten Risikomanagement und höherem Eigenkapital der Banken bei Einhaltung der internationalen Regeln (siehe den sog. Baseler Akkord) entstehen wieder Glaubwürdigkeit und Vertrauen.

Die Geschichte hat gelehrt, daß letztlich die internationale Glaubwürdigkeit der nationalen Geldverfassung entscheidend für die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes ist. Es gibt keinen Grund zur Annahme, daß es in Rußland anders ist.

Diese Transitionsphase ist möglicherweise in Rußland wegen seiner großen und heterogenen Gesellschaft (im Vergleich zu Transformationsländern wie Ungarn, Tschechien, Estland usw.) sowie des fast alleine zu tragenden Rubelüberhanges (aus der Sowjetunion und dem RWG) besonders lang. Aber es scheinen die Zeit knapp zu werden und die gesellschaftlichen Kosten zu steigen.

 

 

III. Zur Zentralbank

III.1. Ein Currency Board

Häufig wird für Transformationsländer die Errichtung eines Currency Boards vorgeschlagen. Dabei gibt es keine allgemein akzeptierte Definition von einem Currency Board und häufig wird es fälschlicherweise mit einer Wechselkursfixierung bzw. einem festen Wechselkurs gleichgesetzt.

Definiert ist nur das orthodoxe Currency Board. Es ist das von Großbritannien in einer Kolonie errichtete Zentralbank- und Geschäftsbankensystem. Das CurrencyBoard bzw. die Zentralbank der Kolonie schafft nur Geld bei einer Deckung von 100-Prozent durch Pfund-Sterling. Diese Währungsreserven wurden vollständig in London, also im Ausland gehalten. Das Currency Board erzielt einen Währungsgewinn ("seignorage-gain"). Vergleichbar schlägt Hanke (1998) ein "ultraorthodoxes" CB vor, welches in Moskau sitzt, aber seine Währungs-reserven in der Schweiz hält.

Das Currency Board führt keine eigenständige Geld- und Währungspolitik durch. Es hält keine Staatsanleihen und kann keine nationalen monetären Schocks auslösen. Das Geldange-bot ist vollständig vom Saldo der Zahlungsbilanz bestimmt. Das Currency Board hat nicht die Funktion eines sog. Lender-of-Last-Resort.

Die Geschäftsbanken in den Kolonien waren Handelsbanken und zu 100 v.H. Töchter von Mutterbanken in London. Ihre Reputation und Liquidität war vollständig durch die Londoner Mutterbanken gesichert. Entsprechend muß in einen System mit einem Currency Board ein sehr großer Anteil der Geschäftsbanken (70 - 90 v.H.) Beteiligungen von Auslandsbanken zur Sicherung der Liquidität haben.

 

III.2. Zur Wahl der optimalen Zentralbank

Für jedes Land stellt sich die Entscheidung zwischen zwei prinzipiellen Formen einer Zentral-bank. Dieses sind eine abhängige Zentralbank als Teil des Finanzministeriums versus eine unabhängige Zentralbank.

Bei der unabhängigen Zentralbank ist dann wiederum zwischen zwei Formen zu unterscheiden. Bei der konstitutionellen Lösung ist die Unabhängigkeit der Zentralbank verankert in der Verfassung und beinhaltet die Festlegung der geldpolitischen Ziele und Instrumente durch die Zentralbank selbst. Diesem entsprach die Deutsche Bundesbank; Analysen erfolgen mit Modellen vom Typ Rogoff (1985). Bei der vertragstheoretischen Lösung wird der Zentralbank ein Ziel vorgegeben, beispielsweise eine Inflationsrate von unter 2 v.H.. Die Zentralbank ist unabhängig in der Wahl ihrer Politik zur Erreichung dieses Zieles, aber aufgrund optimaler Arbeitskontrakte führen Zielverfehlungen zu Einkommenseinbußen der Banker. Diesen Weg der Principal-Agent-Kontrakte (Walsh, 1995) geht u.a. Neuseeland.

 

 

 

 

 

 

III.3. Zur Optimalität eines Currency Boards

Eine Zentralbank in Form eines Currency Boards, d.h. mit einer vorgegebenen Bindung der Währung an eine Ankerwährung bei fixiertem Wechselkurs ist eine Art von konstitutioneller Lösung. Die Verankerung in der Verfassung erfolgt zur Stärkung der intenationalen Glaubwürdigkeit. Aus diesem Grunde wird ein Currency Board in einer Vielzahl von Modellanalysen (Svensson; Persson/Tabellini; Fuhrmann) als die optimale Lösung für Transformationsländer angesehen. Sie ist optimal, wenn der Nutzen aus dem Gewinn an Glaubwürdigkeit die Kosten infolge der starren Regelbindung einschließlich der Kosten im Falle einer Aufgabe des Currency Boardes ("escape case") überwiegt.

Ein Currency Board ist insbesondere aus drei Gründen optimal:

Erstens:

Eine in demokratischen Ländern per Gesetz bzw. Verfassung geregelte Geld- und Währungspolitik ist optimal, wenn mit dem Verzicht auf eine eigenständige nationale Geld- und Währungspolitik inflationäre Verzerrungen ("inflationary bias") zwischem diesem Land und dem Ankerland ausgeschlossen und damit für seinen Handel und Kapitalverkehr mit seinen wichtigsten Partnern verhindert werden können.

Dieses ist aber nicht möglich, wenn im Transformationsland (reale oder mikroökonomische) Schocks und Risiken auftreten, die die kurzfristige Schaffung von Liquidität oder Wechsel-kursänderungen erfordern.

Derartige Schocks sind aber für Rußland wahrscheinlich. Dieses gilt insbesondere, weil es keine eindeutige Ankerwährung gibt. Es ist weder der US-Dollar (trotz der hohen Exporte von Rohstoffen) noch die DM bzw. jetzt der Euro (trotz einer wirtschaftlichen Ausrichtung Rußlands eher an West-Europa). Die Gewährung der Kredite durch den Internationalen Währungsfond in US-Dollar behindert die Orientierung an Europa.

Zweitens:

Ein Currency Board ist dann optimal, wenn sich die nationale Produktionsstruktur an den relativen Preisen der international gehandelten Güter im Ankerland ausrichten soll. Das Ankerland bestimmt damit den Integrationsprozess bzw. ist das zentrale Integrationsziel. Bei einem Vergleich der verschiedenen möglichen Integrationsräume (Europa, USA usw.) ist die Entscheidung ökonomisch zu begründen und nicht weltmachtpolitisch.

Ein Currency Board erscheint deshalb als nicht optimal für Rußland, weil der integrations-politische Konsens fehlt, der Außenhandelsanteil Rußlands relativ klein ist(im Vergleich beispielsweise mit Polen oder Lettland) und der reale Sektor in weiten Teilen noch nicht marktwirtschaftlich orientiert und flexibilisiert ist. Darüberhinaus besteht immer noch ein erhebliches Potential an nationalen Schocks (nicht nur im Bankensektor).

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Drittens:

Das Parlament (bzw. der Souverän) bindet sich mit einem Gesetz zur Einführung eines Currency Boardes bezüglich der Währungs- und Geldpolitik. Es legt sich freiwillig fest, bindet sich ("commitment"). Es will damit den ausländischen Investoren Sicherheit geben und Kapital sowie Know-how attrahieren. Es will außerdem den Konditionen des IWF entsprechen und weitere Kredite erhalten.

Ein Currency Board erscheint aber für Rußland dann als nicht optimal, wenn die Bindung nicht glaubwürdig ist bzw. als nicht dauerhaft gilt. Derartige Zweifel bestehen, solange die Privatisierung nocht begrenzt ist und der Stellenwert von Institutionen in Rußland als gering erscheint.

IV. Zum Currency Board System

Die Optimalität eines orthodoxen Currency Boards erfordert Geschäftsbanken, die aufgrund von Kapitalbeteiligungen, Kooperation, Kreditlinien oder irgendeine anderen Fazilität bei einer Bank im Ausland über eine eigene Liquditätssicherungen verfügen.

Es gibt und bedarf keiner eigenständigen nationalen Liquiditätspolitik für Banken. Notwendig ist neben der Internationalisierung des Bankensektors nur eine stark-restriktive Bankenaufsicht mit internationalen Standards.

Wenn es aber besondere Risiken des Bankensystems gibt (d.h. negative Externalitäten bei hohen Kosten eines Bankkonkurses und Schuldenquoten) oder wenn es nicht diversifizierbare systematische Bankenrisiken gibt (beispielsweise bei asymmetrischen Informationen mit adverser Selektion bei der Kreditvergabe oder bei einer international niedrigeren Bewertung aller inländischen Aktiengesellschaften oder bei fehlenden Depositenversicherungssystemen), dann ist eine Zentralbank als Lender-of-Last-Resort notwendig.

Ein Currency Board ist für Rußland deshalb nicht optimal, da die russischen Geschäftsbanken auch in absehbarer Zeit nicht über ausreichende eigene internationale Liquiditätssicherungen verfügen (können).

Da derartige Risiken des Bankensektors (insbesondere in einem Transformationsland) nicht ausgeschlossen werden können, existiert weltweit empirisch kein orthodoxes Currency Board. Auch die sog. Referenzländer wie Estland oder Hong Kong haben keines. Ein orthodoxes Currency Board kann auch keine optimale Lösung für Rußland sein.

V. Ein Currency Board Arrangement

In jedem Land, auch in Rußland ist das Geldangebot der Geschäftsbanken (und damit M2 und M3) zumindest teilweise gedeckt durch Titel und Kredite heimischer privater Unternehmen und Haushalte.

 

 

Selbst wenn das Angebot an Basisgeld des Currency Boards durch den Zahlungsbilanzsaldo bestimmt ist, sind eine Steuerung des privaten Geldangebotes und damit geldpolitische Instrumente wie beispielsweise die Mindestreservepolitik und Offen-Markt-Politik notwendig.

Damit ist auch bei Errichtung eines Currency Boardes immer noch die Entscheidung notwendig, ob für diese Geldpolitik eine konstitutionelle Regelung oder eine arbeitsver-tragliche Regelung erfolgen soll. Dabei hat das gesamte reale Geldangebot (von M2 oder M3) der erwarteten Entwicklung des realisierbaren Produktionspotentials zu folgen. Das gesamte nominale Geldangebot hat außerdem das Inflationsziel des Ankerlandes bzw. Integrations-raumes zu berücksichtigen. Abweichungen infolge zu erhöhender administrierter Preise oder der Preise von international nicht-gehandelten Gütern sind möglich.

Die notwendige Steuerung der Wachstumsrate des privaten Geldangebotes in Höhe der Differenz aus der geplanten Wachstumsraten des gesamten Geldangebotes (M2) und der tatsächlichen Wachstumsrate des Basisgeldes (B) relativiert den Vorteil der Bindung ("commitment").

VI. Das Problem der Glaubwürdigkeit

Infolge der Bindung der nationalen Währung an eine Ankerwährung sowie der Fixierung des Wechselkurses durch ein Gesetz oder in der Verfassung ist ein Currency Board ein sog. konstitutioneller Ansatz.

Das Vertrauen in die Unabhängigkeit der Zentralbank steigt infolge des Gesetzes. Das Gesetz schafft die Grundlage für die Glaubwürdigkeit des Currency Boards; die Voraussetzung dazu sind ein gesellschaftlicher Konsens zur Errichtung eines Currency Boardes sowie das Vertrauen in die Rechtstaatlichkeit und Rechtssicherheit.

Der Grad bzw. die Stärke des Vertrauens ist dann abhängig von ökonomischen Faktoren. Dieses sind eine marktwirtschaftliche Ordnungspolitik sowie eine hohe Flexibilität der Märkte bzw. der Preise und Löhne. Ansonsten führt eine höhere Inflationsraten beispielsweise aufgrund von sozialpolitisch bedingten und die Produktivitätszuwächse übersteigenden Lohnerhöhungen bei dem fixierten nominalen Wechselkurs zu einer realen Aufwertung und damit zu einer sinkenden internationalen Wettbewerbsfähigkeit, zu steigenden Haushalts-und Zahlungsbilanzdefiziten und damit zu einem sinkenden Basisgeldangebot, das .letztlich einen Zusammenbruch der Währungsbindung und des Currency Boardes wahrscheinlich werden läßt. Anders ausgedrückt: das Currency Board ist ökonomisch dann glaubwürdig, wenn keine großen nationalen Schocks für wahrscheinlich gehalten werden.

Alle drei Voraussetzungen scheinen in Rußland nicht erfüllt zu sein. Wer dennoch für ein Currency Board in Rußland ist, der hofft, daß sich durch die Errichtung des Currency Boardes drei Dinge entwickeln: a.) Vertrauen in das neugeschaffene Geld, b.) die Entwicklung einer international wettbewerbsfähigen Produktionsstruktur und c.) eine russische Stabilitätskultur. Diese Strategie beinhaltet das Risiko, daß im Falle eines Scheitern des Currency Boardes, und dafür ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, die gesellschaftlichen Kosten sehr hoch sind. Sie werden mindestens so hoch sein, wie die Kosten infolge der Rubel-Krise von 1998.

 

 

 

 

 

 

Dabei gilt allgemein, wenn das Currency Board als eine Übergangslösung betrachtet wird, welches kurzfristig Glaubwürdigkeit und Vertrauen in den monetären Sektor schaffen sowie Unsicherheiten bezüglich der Preisentwicklung reduzieren soll, dann sind bei der Errichtung auch die Kosten zu berücksichtigen, die später beim Übergang vom Currency Board zur Zentralbank sowie vom festen Wechselkurs zum flexiblen Wechselkurs entstehen. In diesem Sinne ist die Errichtung eines Currency Boardes eine Investition mit Kosten beim Marktaustritt ("sunk-costs"). Die Höhe dieser Kosten ist u.a. abhängig von den festgelegten Regeln des Überganges, d.h. der Austrittsklausel ("escape-clause"). Diese Möglichkeit in Zukunft hat allerdings Rückwirkungen auf die gegenwärtige Glaubwürdigkeit des Currency Boardes. Je leichter oder wahrscheinlicher eine Auflösung des Currency Boardes ist, desto geringer ist die Glaubwürdigkeit und damit der Stabilisierungseffekts. Allerdings stärkt der vollkommene Ausschluß einer Auflösung, unabhängig von Art und Umfang möglicher zukunftiger Störungen, die Glaubwürdigkeit nicht.

VII.. Staatshaushalt und Currency Board

Keine Zentralbank der Welt, die Europäische Zentralbank ebenso wenig wie früher die Deutsche Bundesbank, ist in der Währungspolitik unabhängig von der Politik. Damit ist aber auch die Unabhängigkeit in der Geldpolitik eingeschränkt. Bei einem Currency Board verzichtet die Politik auf die Möglichkeit der unmittelbaren Änderung des Wechselkurses.

Das Vertrauen in die Wertaufbewahrung des Geldes sowie in eine Zentralbank ist um so niedriger, je leichter und wahrscheinlicher eine politische Manipulation des Wechselkurses ist. Es ist aber nicht nur bei fehlendem Primat der Geldwertstabilität niedrig. Es ist um so niedriger, je höher die faktische (aber auch schon die zulässige) Verschuldung des Staates ist. Eine Verschuldung auf dem inländischen Kapitalmarkt führt zu Zinserhöhungen und ver-drängt private Aktivitäten (der sog. crowding-out-effect); eine Verschuldung in Fremdwährung beinhaltet die Gefahr der Überschuldung und das Risiko einer Änderung des Wechselkurses.

Durch den in einem Gesetz festgeschriebenen Verzicht auf eine jederzeitige Wechselkurs-änderung ist das Vertrauen in die Stabilität des monetären Sektors bei einem Currency Board größer als bei einer Zentralbank. Besteht aber eine große Wahrscheinlichkeit für das Eintreten von ökonomischen Schocks im Inland, die eine flexible Geldpolitik erfordern, dann gibt es eine noch bessere Lösung als ein Currency Board. Sie besteht darin, daß das Parlament beschließt und in der Verfassung festlegt, eine in der Geld- und Währungspolitik unabhängige Zentralbank zu schaffen und dieser das Ziel der "Sicherung der Währung" bzw. der "Wahrung der Geldwertstabilität der Währung" zu übertragen.

Sowohl bei einem Currency Board als auch einer vollkommen unabhängigen Zentralbank muß der Staat verzichten auf a.) das Instrument der Wechselkursänderung, b.) die Möglichkeit einer Einschränkung der Konvertibilität sowie c.) jede Kreditfinanzierung des Haushaltes bzw. jede Verschuldung über ein restriktiv bemessenes und gesetzlich festgelegtes Limit hinaus.

Außerdem ist eine unabhängige Aufsicht (möglicherweise innerhalb der Zentralbank) über das Banken-, Versicherungs- und Börsenwesen zu schaffen. Die Aufsichtsämter können als Abteilungen innerhalb einer unabhängigen Zentralbank organisiert sein oder als eigenständige unabhängige Behörden.. Ihnen ist in jedem Falle als Ziel die "Wahrung internationaler Standards im Banken-, Börsen- und Versicherungswesen" zu übertragen.

 

VIII. Zum Schluß:

Ein Plädoyer für eine vollkommen unabhängige russische Zentralbank

Jede glaubwürdige Ordnung erfordert eine klare ordnungspolitische Grundentscheidung und einen gesellschaftlichen Konsens zur Währungsstabilität. Inflation darf nicht als Instrument der Einnahmenerzielung für den Staat verstanden oder eingesetzt werden; mit ihr darf kein Abbau der Staatsverschuldung angestrebt werden.

Damit erscheint für ein großes Transformationsland wie Rußland eine in der Geld- und Währungspolitik unabhängige Zentralbank als die superiore Lösung im Vergleich mit einem Currency Board. Sie kann ihren Sitz in St. Petersburg aber auch in Moskau haben.

Damit verbunden erscheint ein flexibler Wechselkurs des Rubels als optimal. Interventionen der Zentralbank am Devisenmarkt sind nach freier Entscheidung der Zentralbank und einzig mit dem Ziel der Sicherung der Währung möglich. Im Gegensatz zu einem Currency Board ist damit die Entwicklung der Geldmenge unabhängig von der Entwicklung der staatlichen Währungsreserven. Das Wachstum des Basisgeldes erfolgt auf der Grundlage auch von inländischen Titeln privatwirtschaftlicher Emittenten. Die Zentralbank legt ihre Politik (und Geldmengenregel) unabhängig und nach eigenem Ermessen fest.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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