Transformation und Globalisierung

von

Wilfried Fuhrmann, Ajdyn Sultanow, Potsdam

 

 

Um den Prozeß der Transformation und um die in einer erfolgreichen Transformation einzuhaltenden ökonomischen Gesetzmäßigkeiten sowie die politischen Wahlmöglichkeiten richtig zu verstehen, ist ein kleiner Umweg notwendig. Es ist zuvor die Frage zu beantworten: Transformation wohin? Und damit führt der „Umweg“ über das Verständnis des Phänomens der Globalisierung.

Globalisierung ist ein seit rund 150 Jahren laufender und immer noch nicht abgeschlossener Prozeß. Er ist gekennzeichnet durch eine fortschreitende Ökonomisierung aller Lebens-bereiche und er wird getrieben durch eine ständige Suche der Menschen nach Verbesserung bzw. durch einen fortwährenden Wettbewerb. Damit verbunden sind eine ständige Erhöhung der Mobilität und eine räumliche Ausdehnung der sog. relevanten Märkte. Letzteres führte in allen regionalen Wirtschaftsräume zu einer Konvergenz bzw. zu einer Angleichung u.a. der Produktionstechnologien, der Organisations- und Entscheidungsmethoden sowie der Verhaltensweisen und Wertmaßstäbe. Den marktwirtschaftlichen Abschluß findet die Globalisierung bei Erreichung eines Zustand der weltweiten Integration der Kapital-, Güter- und Arbeitsmärkte aller Länder. Wichtiger aber als diese Feststellung ist es zu erkennen, daß es in diesem gedanklichen Endzustand bzw. Referenzszenario Autarkie und eigenstaatliche Entwicklungen wegen der steigenden Opportunitätskosten einer „Abkoppelung“ von der Globalisierung bzw. dem Rest der Welt letztlich nicht mehr gibt. Dennoch geht auch dann die Suche der Menschen weiter. Es gibt weiterhin evolutorische Prozesse, die durch einzelne Menschen und Gruppen oder Unternehmen ausgelöst werden und in einzelnen Regionen ihren Ursprung haben. Die Globalisierung wird also niemals zu einer Art von homogenen globalen Dorf führen. Sie beinhaltet nämlich auch eine variable Regionalisierungen  - deren Grenzen allerdings weniger traditionell, d.h. durch Transportkosten oder nationale Sprachen bestimmt werden.

 

Transformation bedeutet damit, die Entwicklung eines Landes oder einer Region in den Prozeß der Globalisierung zu integrieren bzw. an diesen anzukoppeln. Der Prozeß der Transformation ist zunächst eine Art von Lern-, Anpassungs- und Aufholprozeß und erst darnach auch ein Prozeß der Beeinflussung und Mitgestaltung des Globalisierungsprozesses.

 

Es sind schon viele Bücher, ganze Bibliotheken über Transformation geschrieben worden, insbesondere über Aspekte wie Schocktherapie oder Gradualismus, Öffentliche Haushalte und Steuern, Privatisierung und Börsen sowie die Liberalisierung des Güter- und Kapitalverkehrs mit dem Ausland.[1] Was ist also auf den vorgegebenen zwei Seiten herauszugreifen und zu betonen?

Bedeutsam und bisher falsch betrachtet wurden die zentralen Probleme der allgemeinen und (direkt anwendbaren) beruflichen Bildung für alle bzw. der Bildung von Humankapital und der allgemeinen Entwicklung eines Bewußtseins sowie der Bereitschaft zur Übernahme von Risiken bzw. von Verantwortung (u.a. für sich selbst, für die Familie und für das Unter-nehmen unter Beachtung der sozialen Auswirkungen aller eigenen Aktivitäten). Mit der Lösung dieser Probleme ist gleichzeitig im Sinne einer unabdingbaren Restriktion die Verhinderung einer hohen Arbeitslosigkeit bzw. einer persistierenden hohen Arbeitslosigkeit verbunden.

Die Lösung der Probleme sowie die Einhaltung der Restriktion ist nur möglich bei einer gesamtgesellschaftlichen Glaubwürdigkeit der einzelnen Schritte der Transformation sowie eines allgemeinen Vertrauens in das Recht bzw. in die rechtsstaatlich Ordnung und Sicherheit sowie in die gesellschaftliche, vor allem aber ökonomische Zukunft. Während letzteres überwiegend zentral, beispielsweise in Moskau zu bewerkstelligen ist, ist ersteres eher eine föderale Aufgabe, d.h. erfordert unterschiedliche Wege in den einzelnen Großregionen bzw. Ländern.

Die Entwicklung eines Kapitalmarktes mit einer Börsen infolge einer der Privatisierung folgenden Bildung von Großunternehmen (insbesondere im Rohstoffsektor) schafft relativ wenige Arbeitsplätze und in vielen Regionen hohe Arbeitslosigkeit verbunden mit einer  Abwandung der qualifizierten Arbeitskräfte.  Beschäftigung und auch Ausbildung, das hat die Entwicklung in Deutschland in den letzten 100 Jahren ebenso wie jetzt in dem Gebiet der ehemaligen DDR gezeigt, schaffen die kleinen und mittleren Unternehmen. Konkret: Es sind die Unternehmensgründer. Sie alle aber benötigen Kapital, welches sie nicht an der Börse erhalten (weil sie zu klein und unbekannt bzw. weil die Informationskosten für die Kapital-eigner zu hoch sind). Notwendig sind regionale Banken, Sparkassen und Genossenschafts-banken, die einer strikten Bankenaufsicht unterliegen. Dazu gehört u.a., daß sie alle zum Zwecke der Risikosicherung einem gemeinsamen Sicherungsfonds angehören müssen (,in den sie alle einzahlen) und daß sie nicht mehr als das 20-fache (10-fache) des haftenden Eigenkapitals in Form von privatwirtschaftlichen Krediten (Staatstitel) halten dürfen. Ohne ein derartiges Bankensystem attrahieren die Börsen die nationale Ersparnisse und reduzieren das Kapital- bzw. Kreditangebot, d.h. damit die Entwicklungsmöglichkeiten der Regionen.

Dabei sind Kapitalimporte in Form von Direktinvestitionen uneingeschränkt zu fördern (es sind u.a. Rechtsunsicherheiten vollständig zu beseitigen und eine vollständige, jederzeitige und unversteuerte Repatriierung von Kapital und Gewinnen bei vollkommener Konvertibilität unwiderruflich zu garantieren). Es geht nicht um Privilegien. Aber privates Kapital aus dem Ausland ist notwendig und kommt nur, wenn es ein (gerechtes) Entgelt dafür erhält, daß es

mit der Ausbildung von Menschen und der Sicherung der  Beschäftigung u.a. die öffentlichen (!) Güter ökonomischen Stabilität und allgemeines Know-how schafft. Dieses erfolgt nicht bei ausländischen Portfolioinvestitionen z.B. in Staatspapiere zur Finanzierung des Staats-konsums. Die steuerliche Gleichbehandlung beider Fälle von Kapitalimport verzerrt diesen zugunsten des Staatskonsums und zu Lasten der Investition und Beschäftigung.

 

Die Regionalisierung bzw. der föderale Aufbau ist ein politisch strittiger Aspekt. Sie ist nicht gleichbedeutend mit dem Zerfall des Gesamtstaates - höchstens in dem Falle, das die Zentrale die notwendige Rechtssicherheit, ein stabiles Geld (Fuhrmann 1996) mit einer geld- und wechselkurspolitisch unabhängigen Zentralbank (Fuhrmann 1998) usw. nicht gewährleistet (dann aber tritt sowieso eine generelle Zerrüttung ein). Sie bedeutet aber eine Stärkung der regionalen Verantwortung und Motivation. Sie kann ergänzt werden durch einen sog. Finanzausgleich zwischen den Regionen, wobei diejenigen mit einem überdurchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommen Transferzahlungen an jene Regionen mit einem unterdurchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommen leisten.[2] 

Anderenfalls aber kann die Regionalisierung auch im monetären Bereich erfolgen. Westeuropa hat gezeigt, wie unterschiedliche Staaten bzw. Regionen mit jeweils eigenen Währungen ihre Entwicklung harmoniseren und dabei ihre Währungen über einen Wechselkursmechanismus (das EWS) und eine Recheneinheit (den Ecu ) verbinden und bei erreichter Konvergenz eine Währung, den Euro einführen und ihre nationalen Währungen abschaffen. Umgekehrtes ist es für ein großes Transformationsland wie Rußland denkbar: es behält als die gemeinsame zwischenregionale Recheneinheit den Rubel und Großregionen (wie beispielsweise die Zentralregion) führen eine eigene Währung ein. Deren Wechselkurse gegenüber dem Rubel werden innerhalb von Bandbreiten (beispielsweise von + 10 %) von der Rubel-Zentralbank im Auftrag der regionalen Zentralbanken verteidigt, können aber auch koordiniert verändert  werden.[3] Es können zum Rubel auch Currency-Board-Arrangements (Fuhrmann 1999) gebildet werden. Diese Währungen bzw. Wechselkurse schaffen einen Puffer, weil sich die Regionen unterschiedlich schnell entwickeln. Wer eine derartige Überlegung bzw. Strategie prinzipiell ablehnt hat nur zwei Alternativen: a.) in einigen Großregionen sinken die unteren Löhne so stark, daß sie den Lebensunterhalt nicht sichern oder b.) im Falle von landesweit einheitlichen Lohnniveaus oder Mindestlöhnen gibt es teilweise politisch unerträglich hohe Arbeitslosigkeit. Beide Fälle scheinen in einigen Regionen schon eingetreten zu sein. Dann aber gehen Glaubwürdigkeit und Vertrauen verloren. Allerdings: Es gibt keinen Weg der Autarkie mehr, d.h. kein Weg zurück.

 

 

Literaturverweise:

W. Fuhrmann (1996), Geldordnung und Inflation (in russ.Sprache). In: Politekonom, Heft 2, S. 35-42.

W. Fuhrmann (1998), Die Geld- und Währungsordnung als Grundlage der Transformation. In: 

     P.Welfens (Hrsg.), Systemtransformation in Deutschland und Rußland, Heidelberg, S. 53-

     63.

W. Fuhrmann (1999), Money Supply of a Currency Board Arrangement. In:

     http://www.makrooekonomik.de (since: 1999-8-15).

 

 

 

Adresse des Autors:

Prof. Dr. Wilfried Fuhrmann

Dr. Ajdyn Sultanow

Institut für Makroökonomik

Universität Potsdam

August-Bebel-Str. 89

D-14489 Potsdam / Deutschland

Tel/Fax.: ++49-(0)331-97732-19/-23

Email: fuhrmann@rz.uni-potsdam.de

http://www.makrooekonomik.de

 

 

 

 

 

[4] Diese Zahlungen sind gemeinschaftlich so zu vereinbaren, daß die Reihung der Regionen anhand der Höhe der Pro-Kopf-Einkommens nicht verändert wird und daß keine Region mehr als x % z.B. 40 % seines überdurchschnittlichen Einkommens abgibt (um so den Anreiz zu weiteren Entwicklungsanstrengungen nicht zu zerstören). Durch diesen Finanzausgleich wird nicht nur verhindert, daß sich die Regionen zu unterschiedlich entwickeln und den sozialen Zusammenhalt im Gesamtstaat gefährden, sondern auch, daß Regionen mit wertvollen Naturrohstoffen dieses Geschenk der Natur für alle Menschen alleine genießen.



[1] Es sei hier kurz auf ein Problem der adäquate Termini hingewiesen. Während beispielswiese in Publikationen aus den USA der ökonomsiche Prozeß in Rußland mit „Transition“ umschrieben wird, verwenden Publikationen aus Deutschland den Begriff „Transformation“.  Da der Begriff „Transition“ als Referenzgröße den Zustand eines langfristigen (steady-state-) Marktgleichgewichtes einer geschlossenen Volkswirtschaft hat, dieser aber infolge der Globalisierung nicht mehr empirisch vorstellbar ist, wird hier der Begriff Transformation im Sinne einer im Ergebnis offenen Umwandlung verwendet.

[1] Auf eine entsprechend umfangreiche Literaturliste wird hier verzichtet.

 

[3] Eine derartigen Konstruktion stärkt bzw. stabilisiert den Wechselkurs des Rubels gegenüber dem $, der DM bzw. dem Euro usw..